Ein Berufskolleg – ein Unternehmen?
Norbert Hilgermann

Die Schulen stehen in den letzten Jahren immer stärker unter dem Druck verschiedener gesellschaftlicher Veränderungen: die Schüler fügen sich kaum noch umstandslos in verbrauchte Unterrichtsarrangements; die Betriebe kritisieren die Leistungsangebote der Schulen als praxisfremd; die Schulbehörden wollen schließlich neuerdings die Schulen zunehmend aus der ministerialen Umklammerung entlassen. Die Schule selbst muss nicht mehr nur Erwartungsdruck, sondern auch immer verschiedenartigere Erwartungen aushalten und – nach Möglichkeit – beantworten. Das Produkt „Bildung“ und ihre Produzenten müssen sich öfter rechtfertigen.

Schulen können auf unterschiedliche Art und Weise diesen Herausforderungen begegnen. Die Schule bekommt die Chance heute nicht mehr nur das zu sein, was Schule sein soll und muss, sondern – vielleicht zum ersten Mal – auch das, was sie sein kann und will. Diese Öffnung der Dimension der Autonomie erscheint ebenso als Chance wie auch als Druck. Wenn der Schulerlass in seiner Doppelidentität als Rückrat und als Panzer erst einmal weg gebrochen ist (oder doch eine merklich geringere Rolle spielen sollte), dann müssen Schulen sich selbst eine Standfähigkeit und ein Gesicht zulegen. Die Schule  erscheint im Vergleich zu anderen Institutionen mit vergleichbarer Bedeutung als seltsam unmündig und ohnmächtig. Die Politik kann ihre Finanzierungsgrundlagen definieren; das Unternehmen kann sie bilden; die Schule kann beides nicht. Umgekehrt müssen Schulen bislang vergleichsweise wenig um ihre „Kunden“ kämpfen. Schulen sind auf diese Weise eine seltsame Mischung aus ohnmächtig und doch zugleich immun und autark gegen den – vielleicht auch einmal massiven – Abzug von Interessen, den sowohl Politik als auch Unternehmen fürchten müssen.

Schulen wollen mittlerweile nicht nur, sondern sollen auch ihre Angelegenheiten in die eigene Hand nehmen. Die „Reform von oben“, beispielhaft derzeit im landesweiten Projekt „Selbstständige Schule“, nimmt Züge an, die Schulen nicht mehr nur zu „ausführenden Organen“ anderswo bedachter und entwickelter Reformvorhaben degradiert. Die Schule selbst ist als Ort erkannt worden, dessen Selbststeuerungskapazitäten aufgestockt und qualifiziert werden sollen. Im Kern geht es dabei für das Berufskolleg um größere Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in wirtschaftlicher, personeller, organisatorischer und auch rechtlicher Hinsicht unter Wahrung und Beachtung des verfassungsrechtlich verankerten staatlichen Bildungsauftrags. Damit wandelt sich die Schule zum regionalen, eigenständig handelnden, modernen kundenorientierten Dienstleistungsbetrieb für berufliche Aus- und Weiterbildung. Die Schule muss dabei eingebettet sein in regionale Bildungsnetzwerke und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur regional-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik.

Norbert Hilgermann
Staatliches Berufskolleg des Landes NRW
Zu den Fichten 19
53359 Rheinbach
Tel.: 0 22 26 / 92 20 0
Fax: 0 22 26 / 92 20 20
norbert.hilgermann@glasfachschule.de